Die Qualität von Ernährungsstudien hängt weitgehend von der Forschungsfrage, dem Versuchsplan, der statistischen Aussagekraft und der Zusammensetzung der Versuchsnahrung ab. Die große Mehrheit der Ernährungsstudien an Modellorganismen wurde an Labornagern wie Mäusen und Ratten durchgeführt. Der Nährstoffbedarf von Nagetieren ist relativ gut bekannt, einschließlich Energie, Lipide, Fettsäuren, Kohlenhydrate, Proteine und Aminosäuren sowie Vitamine, Mineralien und Spurenelemente.

Die Fruchtfliege Drosophila melanogaster wird seit langem als robuster Modellorganismus in der Genetik, Entwicklungsbiologie, Alterung und anderen Bereichen der biomedizinischen Forschung eingesetzt. Erst in jüngster Zeit haben experimentelle Ernährungswissenschaftler begonnen, Drosophila als vielseitigen Modellorganismus in der Lebensmittel- und Ernährungsforschung zu betrachten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Ernährungsbedürfnisse von Fliegen noch nicht in demselben Maße erforscht sind wie die von Labornagern. Was die komplexen Drosophila-Diäten betrifft, so ist es interessant, dass in der Literatur viele verschiedene Rezepte für komplexe Medien beschrieben wurden.

In dieser Übersicht geben wir einen kritischen Überblick über die Vielfalt der Diäten – einschließlich des vorläufigen Stands der chemisch definierten Diäten -, die in der Drosophila-Forschung verwendet werden. Darüber hinaus weisen wir darauf hin, dass eine standardisierte Diät notwendig ist, um die Fruchtfliege als vielversprechenden Modellorganismus in Studien zur Wechselwirkung zwischen Ernährung und Krankheit einzusetzen.

Experimentelle Diäten in der Drosophila-Forschung

Drosophila-Diäten werden häufig auf der Basis von Hefe, Mais, Saccharose und Agar formuliert. Die Nährstoffzusammensetzung kann bei diesen Rezepten jedoch erheblich variieren. Außerdem werden manchmal andere Zutaten wie Glukose, Gerste, Soja, Pepton und Bananen verwendet. Die Diäten können sich auch hinsichtlich der Konservierungsstoffe unterscheiden, um die Stabilität und Haltbarkeit zu verlängern. Die meisten Rezepturen enthalten sowohl p-Hydroxybenzoesäuremethylester (Nipagin) als auch Propionsäure; andere verwenden jedoch nur eines dieser Konservierungsmittel, während in einigen Fällen Antibiotika wie Penicillin-Streptomycin oder eine Phosphorsäure-Propionsäure-Mischung zugesetzt werden. Darüber hinaus werden bei D. melanogaster auch die so genannten fett- und/oder zuckerreichen Diäten eingesetzt, um diabetische oder fettleibige Phänotypen zu induzieren. Die Zusammensetzung der „fett-“ oder „zuckerreichen“ Diäten ist jedoch nicht ausreichend definiert, was wiederum den Vergleich von Daten zwischen verschiedenen Studien und Labors erschwert. So wird in einigen Studien Schmalz (in der Regel 15 %) verwendet, um einen fettleibigen Phänotyp hervorzurufen, während in anderen Studien Kokosnussöl (etwa 20-30 %) verabreicht wird. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass sich diese beiden Hauptfettquellen nicht nur in ihrer Zusammensetzung erheblich unterscheiden, sondern dass auch zwischen verschiedenen Schmalz- und Kokosölchargen relevante Unterschiede beobachtet werden. Schmalz besteht zu etwa 40 % aus gesättigten, zu 45 % aus einfach ungesättigten und zu 15 % aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren, wobei die drei dominierenden Fettsäuren Palmitinsäure, Ölsäure sowie Stearin- und Linolsäure sind. Im Gegensatz dazu enthält Kokosnussöl hauptsächlich gesättigte Fettsäuren (ca. 90 %) und nur geringe Mengen an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren (ca. 6 % bzw. 2 %). Es zeichnet sich durch hohe Mengen an Laurin-, Myristin-, Caprin- und Caprylsäure aus, die sich deutlich von Schmalz unterscheiden.

Dementsprechend enthalten zuckerreiche Diäten entweder variable Mengen an Glukose, Fruktose oder Saccharose, was Vergleiche zwischen Laboren erschwert. Darüber hinaus sind die Protokolle für die Energierestriktion, von der bekannt ist, dass sie sich auf das Leben und die Gesundheit von Modellorganismen auswirkt, für die experimentelle D. melanogaster-Forschung noch nicht standardisiert worden. So wurde in den meisten Fliegenstudien, die sich mit Nahrungsrestriktion befassten, eine Protein-/Aminosäure-Restriktion durch eine Verringerung der Hefemenge herbeigeführt, wobei die Tatsache außer Acht gelassen wurde, dass Hefe in den meisten Drosophila-Diäten auch die einzige Quelle für andere wichtige Nährstoffe ist. Unterschiede in der Zusammensetzung der Nahrung können auch zu der großen Varianz in den beobachteten Auswirkungen von Energierestriktionsmimetika auf die Lebens- und Gesundheitsspanne von D. melanogaster beitragen. Um die Einschränkungen komplexer Diäten zu überwinden, wurden verschiedene Versuche unternommen, ein halb- oder vollständig definiertes Medium für Fruchtfliegen zu schaffen. Piper und seine Mitarbeiter haben eine Feriendiät für D. melanogaster entwickelt. Diese Feriendiät ist in Bezug auf ihre Energie-, Makro- und Mikronährstoffzusammensetzung vollständig definiert. Die chemisch definierte halbsynthetische Diät unterstützt die Entwicklung von Drosophila, ist aber im Vergleich zu komplexen Diäten durch eine deutlich geringere Erfolgsrate und eine drastisch verlängerte Entwicklungszeit gekennzeichnet. Darüber hinaus ist die Fruchtbarkeit von Fliegen, die auf dem halbsynthetischen Medium aufgezogen werden, im Vergleich zu komplexen Medien erheblich reduziert. Ähnliche Einschränkungen wurden auch für andere halb- oder vollständig definierte Nährböden festgestellt. Möglicherweise mangelt es der holidischen Nahrung an noch nicht identifizierten Nährstoffen, die in komplexer Nahrung vorhanden sind. Dementsprechend befassen sich nur wenige Studien mit dem genauen Bedarf an Fettsäuren, Vitaminen und Spurenelementen von D. melanogaster. Daher sind zukünftige Studien erforderlich, die die Ernährungsqualität von experimentellen Drosophila-Diäten verbessern können.

Drosophila-Phänotypisierung und Wechselwirkungen zwischen Ernährung und Krankheit

D. melanogaster kann eine umfassende Phänotypisierung auch als Reaktion auf Ernährungsfaktoren erfahren. Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht sind Nahrungsaufnahme, Nahrungswahl, Körperzusammensetzung, Energieverbrauch und Zusammensetzung der Mikrobiota wichtige Indikatoren. Diese Ergebnisse werden je nach Versuchsanordnung durch andere funktionelle Untersuchungen wie Bewegungsaktivität und Schlaf, Kognition, Stress- und Infektionsreaktion, Lebensdauer und Fruchtbarkeit ergänzt. Ähnlich wie bei Labormäusen stehen also auch für Fruchtfliegen umfassende Plattformen für die Phänotypisierung zur Verfügung, wie in Abb. 1 zusammengefasst.

Abb. 1

Die Fliegenklinik. Umfassende Phänotypisierung in Drosophila melanogaster bildet die Grundlage der Fliegenklinik, in der krankheitsbezogene Drosophila-Modelle verwendet werden, um Wechselwirkungen zwischen Ernährung und Krankheit zu untersuchen

D. melanogaster bietet auch die Möglichkeit, Studien in krankheitsbezogenen Modellen durchzuführen. So stehen verschiedene Mutanten sowie transgene Modelle zur Verfügung, die chronischen Krankheiten des Menschen teilweise ähneln. In der Tat wurde D. melanogaster zur Untersuchung von Pathologien im Zusammenhang mit der Gehirnfunktion (A-beta- und Tau-Pathologie, Parkinson-Krankheit, Huntington-Krankheit), der Atemfunktion (Asthma, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)), der motorischen Funktion (Muskeldystrophie, amylotrophe Lateralsklerose), der Nierenfunktion (Nephtrolithiasis), Darmstörungen, Diabetes und der Herzfunktion (Kardiomyopathie) sowie psychiatrischen Störungen (ADHS, Alkohol- und andere Süchte) verwendet.

Um diese komplexen und oft multifaktoriellen Krankheiten in der Fruchtfliege zu untersuchen, gibt es je nach Art der Krankheit zwei verschiedene Ansätze: (i) Heterologe transgene D. melanogaster-Modelle werden eingesetzt, um wichtige pathogene Proteine zu untersuchen, die in der Fliege normalerweise nicht vorhanden sind. Ein typisches Beispiel hierfür sind die Neurodegenerationsmodelle, bei denen z. B. menschliche Alzheimer-Krankheitsgene (wie Amyloid-Vorläuferprotein, A-β-Peptide oder Tau-Proteine), menschliche Parkinson-Krankheitsgene (α-Synuclein, Parkin) oder PolyQ-Krankheitsgene in der Fliege exprimiert werden. Diese Tiere wurden erfolgreich analysiert, um die biologischen Auswirkungen und die am Krankheitsprozess beteiligten Signalwege zu bewerten. (ii) Homologe/analoge Krankheitsmodelle der Fliege werden verwendet, um evolutionär konservierte Krankheitsgene zu untersuchen, die sowohl in Fliegen als auch in Menschen vorkommen. Man schätzt, dass etwa zwei Drittel der menschlichen krankheitsverursachenden Gene ein funktionelles Homolog in der Fliege haben. Ein charakteristisches Beispiel für die zweite Art von Drosophila-Modellen, bei denen funktionelle Fliegenhomologe verwendet werden, findet sich auf dem Gebiet der Erforschung von Lungenerkrankungen. Die meisten Suszeptibilitätsgene für komplexe Lungenkrankheiten wie Asthma haben Homologe in der Fliege, und es war möglich, die funktionelle Rolle des Asthma-Suszeptibilitätsgens ORMDL3 mit diesem Ansatz zu klären. Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass diese Fliegenmodelle zwar hilfreich sein können, um neue Informationen über die grundlegenden genetischen und zellulären Prozesse, die bestimmten Krankheiten zugrunde liegen, aufzuklären, dass sie aber in der Regel nur bestimmte Aspekte der oben genannten komplexen und multifaktoriellen menschlichen Krankheiten modellieren können.

Krankheitsnachahmende Drosophila-Modelle können verschiedenen Ernährungsregimen unterzogen werden, um Wechselwirkungen zwischen Ernährung und Krankheit zu ermitteln. Das Ziel solcher Studien ist die Identifizierung von Nährstoffen oder Ernährungsregimen, die den Krankheitsprozess abschwächen oder beschleunigen. Wechselwirkungen zwischen Ernährung und Krankheit wurden bereits in einer begrenzten Anzahl von Fliegenstudien untersucht. Vor allem Modelle der Parkinson-Krankheit wurden eingesetzt, um neue nährstoff- und ernährungsbasierte Therapieansätze zu identifizieren. Insbesondere haben sich diätetische Faktoren wie Ascorbinsäure, Polyphenole, Allyldisulfid und Sulforaphan sowie diätetisches Zink in mehreren verschiedenen Parkinson-Fliegenmodellen positiv ausgewirkt. Weitere Beispiele sind Studien über die Auswirkungen einer zucker- oder fettreichen Ernährung auf die Herzgesundheit. Die Signal- und Stoffwechselwege, die die Physiologie des Fliegenherzens regulieren, sind in bemerkenswerter Weise mit denen des menschlichen Herzens identisch. Daher wurden Mutanten und Transgene der entsprechenden Drosophila-Gene zur Untersuchung von Kanalopathien und Kardiomyopathien eingesetzt. Ähnlich wie beim Menschen, wo das metabolische Syndrom mit einer erhöhten Inzidenz von Kardiomyopathien verbunden ist, führte eine zucker- oder fettreiche Ernährung zu vermehrten Arrhythmien und einer Verschlechterung des Fliegenherzens. Die Kombination umfassender Phänotypisierungsplattformen mit krankheitsbezogenen Drosophila-Modellen (als Reaktion auf Ernährungsfaktoren) legt somit den Grundstein für die Einrichtung einer sogenannten Fliegenklinik (Abb. 1). Dennoch ist zu bedenken, dass krankheitsbezogene Drosophila-Modelle ihre Vorzüge und Grenzen haben. Daher sollten Studien an Drosophila letztlich an anderen Organismen mit zunehmender biologischer Komplexität, einschließlich Säugetierarten, überprüft werden.

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